24 Stunden Pflege im Franchisemodell: Wenn Profit vor Pflege steht

Viele Branchenfremde sehen in der Pflege ein lukratives Geschäftsmodell
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Die Pflegebranche in Deutschland wächst seit Jahren rasant. Mit der alternden Bevölkerung steigt der Bedarf an häuslicher Pflege exponentiell, was die Pflege zu einem der lukrativsten Wirtschaftszweige macht. Doch wo Wachstum und hohe Nachfrage locken, sind auch zweifelhafte Geschäftsmodelle nicht weit. Ein aktueller Trend, der zunehmend kritisch betrachtet werden muss, ist die sogenannte 24-Stunden-Pflege im Franchise-Modell – ein Geschäftsmodell, das sich häufig hinter verlockenden Slogans wie „Profitiere auch Du vom Wachstumsmarkt Nr. 1 in Deutschland im Bereich der häuslichen Pflege“ verbirgt. Doch hinter dieser Fassade verbergen sich zahlreiche Probleme, die nicht nur die Qualität der Pflege, sondern auch das Wohl der Pflegebedürftigen gefährden.

Die Pflegebranche als lukrative Geschäftsidee

Franchise-Anbieter werben aggressiv mit dem Konzept, dass „jeder einsteigen kann“. Selbst Menschen ohne jegliche Pflegeerfahrung werden mit Versprechen von „exklusiven Regionen“ und hohen Gewinnen in die Welt der 24-Stunden-Pflege gelockt. Dabei steht oft nicht die Fürsorge oder die fachliche Qualifikation der Franchisenehmer im Mittelpunkt, sondern der Profit. Der Markt wird als „Boombranche“ dargestellt, die nahezu unerschöpfliche Wachstumschancen bietet. Das klingt verlockend für Menschen, die sich in einem zukunftssicheren Bereich selbstständig machen wollen, aber was bedeutet das für die Qualität der Pflege?

Wenn Laien die Pflege übernehmen

Der wohl gravierendste Kritikpunkt am Franchise-System in der Pflege ist, dass oft Menschen, die keinerlei Vorerfahrung im Pflegebereich haben, plötzlich für die umfängliche Pflege pflegebedürftiger Menschen verantwortlich sind. Ihnen fehlen die fachlichen Kompetenzen, die für die anspruchsvolle und oft komplexe Pflege älterer oder kranker Menschen unabdingbar sind. Pflege ist kein Beruf, den man „nebenbei“ oder „auf gut Glück“ ausüben kann – sie erfordert fundiertes Fachwissen, Empathie, Geduld und Erfahrung. Außerdem, Pflege bedeutet mehr als Betreuung oder Alltagshilfe. Pflege erfordert in der Regel eine Ausbildung um z.B. medizinische Tätigkeiten auszuführen. Eine Abgrenzung der Tätigkeiten findet bei den meisten Anbietern gar nicht statt.

Pflegekräfte in Deutschland durchlaufen eine mehrjährige Ausbildung, um den physischen und psychischen Herausforderungen des Berufs gerecht zu werden. Im Franchise-Modell jedoch wird oft suggeriert, dass „jeder einsteigen kann“ und dass die Aufgaben durch bloße Einarbeitung erlernt werden könnten. Dies ist jedoch eine gefährliche Illusion, die das Wohl der Pflegebedürftigen aufs Spiel setzt.

Keine Regulierung, kaum Kontrolle

Ein weiteres Problem dieser Franchise-Systeme ist die fehlende Regulierung und Kontrolle. Während staatlich geprüfte Pflegeeinrichtungen strengen Auflagen unterliegen und regelmäßig überprüft werden, gibt es bei Franchise-Unternehmen oft keine ausreichende Kontrolle der Qualität der erbrachten Pflegeleistungen. Schon alleine die Aufnahme eines Patienten und die Abgrenzung der einzelnen Tätigkeiten erfordert Fachwissen. Da die Pflegekräfte in der Regel nicht ausgebildet sind und keine fachliche Kompetenz besitzen, besteht ein erhebliches Risiko für Fehlbehandlungen oder Vernachlässigung.

Zudem arbeiten viele Franchise-Nehmer mit Subunternehmern oder vermitteln ausländische Pflegekräfte, die oft unter prekären Arbeitsbedingungen tätig sind. Es gibt Berichte über Überlastung, schlechte Bezahlung und unzureichende Pausenzeiten, was nicht nur die Pflegequalität weiter beeinträchtigt, sondern auch eine ethische Dimension aufwirft. Wie kann eine qualitativ hochwertige Pflege gewährleistet werden, wenn die Pflegenden selbst unter solchen Bedingungen arbeiten müssen?

Die Pflegebedürftigen zahlen den Preis

Letztlich tragen die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen die Konsequenzen dieser Entwicklungen. Sie vertrauen auf die Versprechen der Franchise-Unternehmen und erwarten eine qualitativ hochwertige und einfühlsame Alten- bzw. Krankenpflege. In der Realität jedoch wird diese oft von Menschen erbracht, die nicht ausreichend qualifiziert sind. Dies führt zu einer Entwertung des Pflegeberufs und gefährdet die Gesundheit und das Wohl der Betroffenen.

Hinzu kommt, dass die Franchise-Nehmer, die ohne fachliche Expertise in die Pflegebranche einsteigen, in erster Linie auf Gewinnmaximierung ausgerichtet sind. Die persönliche Bindung zu den Pflegebedürftigen und das Verständnis für ihre Bedürfnisse bleiben dabei häufig auf der Strecke.

Fazit: Mehr Verantwortung statt Wachstum um jeden Preis

Die häusliche Pflege ist eine der wichtigsten Säulen im deutschen Gesundheitssystem. Sie darf jedoch nicht den Gesetzen des freien Marktes überlassen werden, wenn dies auf Kosten der Pflegequalität und der Würde der Pflegebedürftigen geht. Das Franchise-Modell, das Laien als potenzielle Pflegeunternehmer anspricht, verkennt die Komplexität und Verantwortung, die dieser Beruf mit sich bringt.

Anstelle von schnellen Gewinnen sollte der Fokus auf Qualität, Ausbildung und ethischer Verantwortung liegen. Pflege darf kein Spekulationsobjekt sein, sondern muss in den Händen von Menschen liegen, die über die notwendigen fachlichen und menschlichen Qualifikationen verfügen. Die Politik ist gefordert, strengere Regulierungen und Kontrollen für solche Geschäftsmodelle einzuführen, um den Wildwuchs in der Branche einzudämmen und die Würde der Pflegebedürftigen zu schützen.

Es bleibt zu hoffen, dass sich die Gesellschaft auf diese Missstände besinnt und den Wert der Pflege und der Pflegenden erkennt – bevor es zu spät ist.

Schwäbisch Hall im September 2024, Adriano Pierobon Gerontologe (FH), MBA

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