In vielen Familien ist es der Wunsch, dass Angehörige die Pflege übernehmen, vor allem, wenn es um die Eltern geht. Dies entspricht jedoch nicht immer den realen Möglichkeiten. Familienkonflikte, räumliche Distanz oder gesundheitliche und berufliche Verpflichtungen können es schwer oder unmöglich machen, die Pflege zu übernehmen.
Pflege ist eine physisch und emotional fordernde Aufgabe, die viele Menschen überfordert. Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern kann durch Konflikte belastet sein, was die Übernahme der Pflege zusätzlich erschwert. Des Weiteren haben viele Menschen Hemmungen, die mit der intimen Nähe und der körperlichen Pflege einhergehen, sowohl aufseiten der Pflegebedürftigen als auch der pflegenden Angehörigen.
Gesetzliche Regelungen in Deutschland
Laut deutschem Recht sind Kinder nicht verpflichtet, ihre Eltern zu pflegen. Niemand kann gezwungen werden, sich um ein Familienmitglied zu kümmern. Gleichzeitig haben Pflegebedürftige das Recht, selbst zu entscheiden, wer sie pflegt und wo sie gepflegt werden möchten. Eine zwangsweise Pflege durch Angehörige wäre eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechts und könnte strafrechtliche Konsequenzen haben, etwa im Fall von Nötigung. Dieses Selbstbestimmungsrecht ergibt sich aus dem Grundgesetz und schützt die persönliche Würde. Ein solches Recht kann nur in besonderen Fällen eingeschränkt werden, beispielsweise wenn Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegt.
Emotionales und ethisches Verpflichtungsgefühl
Trotz der fehlenden gesetzlichen Pflicht fühlen sich viele Kinder moralisch verpflichtet, ihre Eltern zu pflegen. Häufig liegt der Gedanke nahe, dass die Eltern ihre Kinder großgezogen haben und es nun an den Kindern liegt, ihnen etwas zurückzugeben. Dies führt zu inneren Konflikten, besonders wenn Beruf und Familie wenig Raum für die Pflege lassen.
Die Diskussion über ethische Verpflichtungen im Familienkontext kreist oft um die Nächstenliebe und die Verantwortung für nahe Angehörige. Besonders Töchter und Enkelinnen sehen sich häufig durch gesellschaftliche Rollenerwartungen in der Pflicht, die Pflege zu übernehmen. Doch auch wenn diese moralischen Argumente stark wiegen, sollte das eigene Wohlbefinden und die eigene Gesundheit an erster Stelle stehen. Pflege ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die viele Jahre andauern kann. Sie sollte nur übernommen werden, wenn die eigenen Kräfte und die emotionale Bereitschaft dazu ausreichen.
Die Frage nach einer moralischen oder ethischen Pflicht zur Pflege ist letztlich eine persönliche Entscheidung. Manche sehen darin eine Möglichkeit, den Eltern etwas zurückzugeben, andere empfinden es als Last oder fühlen sich überfordert.
Wer kommt finanziell für die Pflege von Angehörigen auf?
Die Pflegekosten sind in den letzten Jahren stark gestiegen, und die gesetzliche Pflegeversicherung deckt oft nur einen Teil dieser Kosten. Das bedeutet, dass Pflegebedürftige einen erheblichen Eigenanteil leisten müssen. Insbesondere bei der stationären Pflege in einem Heim können diese Kosten sehr hoch werden.
Wenn Pflegebedürftige ihre Pflegekosten nicht selbst tragen können, werden zunächst der Ehepartner und dann die Kinder zur Kasse gebeten – aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Laut dem Gesetz zum Elternunterhalt müssen Kinder nur dann für die Pflegekosten der Eltern aufkommen, wenn ihr Bruttojahreseinkommen 100.000 € übersteigt. Diese Regelung schützt viele Menschen davor, für die Pflege ihrer Eltern finanziell einstehen zu müssen.
Falls diese Grenze nicht erreicht wird, übernimmt der Sozialhilfeträger die restlichen Pflegekosten. Es ist daher nicht zwingend notwendig, dass Kinder selbst zahlen müssen, sofern ihr Einkommen unterhalb dieser Grenze liegt. Wer jedoch ein höheres Einkommen hat, kann zur Zahlung von Elternunterhalt verpflichtet werden.
Sonderurlaub für die Pflege von Angehörigen
Pflegesituationen treten oft unerwartet auf, und die Organisation der Pflege benötigt Zeit. Angestellte können in solchen Fällen Sonderurlaub oder Freistellungen in Anspruch nehmen.
Kurzzeitige Arbeitsverhinderung und Pflegeunterstützungsgeld
Angestellte dürfen bei einer akuten Pflegesituation bis zu zehn Tage von der Arbeit fernbleiben, um die Pflege zu organisieren. In dieser Zeit besteht Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld, das 90 % des Nettoeinkommens ausmacht.
Pflegezeit und Familienpflegezeit
Pflegende Angehörige haben das Recht auf Pflegezeit, sofern sie in einem Betrieb mit mehr als 15 Mitarbeitern arbeiten. Diese Pflegezeit kann bis zu sechs Monate dauern und ist eine unbezahlte Freistellung. In Betrieben mit weniger als 15 Mitarbeitern kann der Arbeitgeber diese Pflegezeit freiwillig bewilligen.
Zusätzlich besteht die Möglichkeit der Familienpflegezeit, die bis zu 24 Monate dauern kann. Während dieser Zeit müssen pflegende Angehörige mindestens 15 Stunden pro Woche arbeiten. Diese Regelungen sollen es ermöglichen, Beruf und Pflege besser miteinander zu vereinbaren. Um finanzielle Einbußen abzufedern, können pflegende Angehörige ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BaFzA) beantragen.
Haben Pflegebedürftige das Recht, im eigenen Zuhause zu bleiben?
Pflegebedürftige haben grundsätzlich das Recht, selbst zu entscheiden, wo sie leben und gepflegt werden möchten. Es ist rechtlich nicht zulässig, jemanden gegen seinen Willen in ein Pflegeheim einzuweisen. Wer dennoch gegen den Willen einer pflegebedürftigen Person handelt, kann sich der Freiheitsberaubung schuldig machen.
Ausnahmen gibt es jedoch, wenn eine Person sich selbst oder andere gefährdet. In solchen Fällen kann eine Zwangseinweisung nach § 1906 BGB durch das Betreuungsgericht genehmigt werden. Weder Angehörige noch Ärzte haben das Recht, eine Zwangseinweisung zu verfügen, es sei denn, das Gericht stimmt zu. Auch Betreuer oder Bevollmächtigte dürfen dies nur in besonderen Fällen und mit gerichtlicher Genehmigung tun.
Die Selbstbestimmung bleibt also auch in Pflegefällen ein zentrales Grundrecht. Pflegebedürftige haben die Möglichkeit, gegen eine Zwangseinweisung oder andere Maßnahmen Beschwerde beim Vormundschaftsgericht einzulegen.
Was tun, wenn ich meine Eltern nicht pflegen kann oder will?
Die Pflege von Angehörigen kann eine erhebliche Belastung darstellen. Viele Kinder sehen sich dieser Aufgabe nicht gewachsen oder haben gute Gründe, die Pflege nicht übernehmen zu wollen. Zu den häufigsten Gründen zählen:
Physische und psychische Überlastung: Die Pflege kann körperlich anstrengend und emotional belastend sein, besonders wenn die Eltern schwer erkrankt oder an Demenz erkrankt sind.
Familiäre Konflikte: Ein schwieriges Verhältnis zu den Eltern kann die Pflege erschweren oder unmöglich machen.
Berufliche Verpflichtungen: Ein hoher beruflicher Druck oder eine eigene Familie können es schwierig machen, genügend Zeit für die Pflege aufzubringen.
Eigene Zukunftsplanung: Wer eigene Lebensziele verfolgt, kann die Pflege oft nicht leisten, ohne diese Ziele aufzugeben.
In solchen Fällen gibt es Alternativen. Pflege muss nicht zwangsläufig durch Angehörige erfolgen. Es gibt viele Möglichkeiten, professionelle Pflegekräfte oder ambulante Pflegedienste in Anspruch zu nehmen. Eine beliebte Option ist die sogenannte 24-Stunden-Betreuung, bei der eine Pflegekraft im Haushalt der Pflegebedürftigen lebt und sich um die Grundpflege sowie den Haushalt kümmert. Diese Form der Pflege kann eine sinnvolle Alternative zum Pflegeheim sein und ermöglicht es den Pflegebedürftigen, in ihrer vertrauten Umgebung zu bleiben.
Pflegedienste, Tages- und Nachtpflege sowie Kurzzeitpflegeangebote können ebenfalls Entlastung bieten. Diese Angebote sollten genutzt werden, um die Belastung der pflegenden Angehörigen zu verringern und ein Burnout zu verhindern. Gleichzeitig gibt es finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten von den Pflegekassen, die bei der häuslichen Pflege helfen können.
Was bleibt?
Die Frage, ob Kinder ihre Eltern pflegen müssen, ist nicht nur rechtlich, sondern auch emotional und ethisch komplex. Es gibt keine gesetzliche Verpflichtung zur Pflege, doch fühlen sich viele Kinder moralisch dazu gedrängt. Pflege ist eine herausfordernde Aufgabe, die gut überlegt sein muss. Letztlich sollte jede Entscheidung im Einklang mit den eigenen Fähigkeiten und der eigenen Lebenssituation getroffen werden.
Alternativen zur eigenen Pflege gibt es viele, und sie sollten frühzeitig in Betracht gezogen werden, um alle Beteiligten zu entlasten. Besonders in Zeiten des Pflegenotstands und des Fachkräftemangels ist es wichtig, die verschiedenen Unterstützungsangebote zu kennen und zu nutzen.