Stürze stellen insbesondere für ältere Menschen ein großes Gesundheitsrisiko dar. Verletzungen durch Stürze können schwerwiegende Folgen haben, bis hin zu Knochenbrüchen, eingeschränkter Mobilität und Pflegebedürftigkeit. Ein Aspekt, der häufig unterschätzt wird, ist der Einfluss von Medikamenten auf das Sturzrisiko. Viele Arzneimittel, vor allem wenn sie regelmäßig oder in Kombination eingenommen werden, können das Gleichgewicht und die Reaktionsfähigkeit beeinträchtigen. Dieser Artikel beleuchtet die Zusammenhänge zwischen Medikamenteneinnahme und dem Risiko von Stürzen, besonders im Alter.
1. Wirkmechanismen: Wie Medikamente das Sturzrisiko erhöhen können
Medikamente können auf unterschiedliche Weise das Sturzrisiko erhöhen:
Beeinträchtigung des Gleichgewichts und der Koordination: Einige Medikamente wirken dämpfend auf das zentrale Nervensystem. Dazu gehören beispielsweise Beruhigungs- und Schlafmittel wie Benzodiazepine, die Schläfrigkeit und Benommenheit verursachen können. Diese Substanzen reduzieren die Muskelkoordination und das Reaktionsvermögen, was das Risiko erhöht, das Gleichgewicht zu verlieren.
Veränderung des Blutdrucks: Blutdruckmedikamente können eine zu starke Senkung des Blutdrucks verursachen. Insbesondere bei schnellem Aufstehen oder Positionswechsel kann es zu Schwindel und kurzzeitigem Schwarzwerden vor den Augen kommen. Diese sogenannte orthostatische Hypotonie kann zu Stürzen führen, wenn die Person das Gleichgewicht verliert.
Beeinflussung des Blutzuckerspiegels: Medikamente zur Blutzuckersenkung wie Insulin oder bestimmte orale Antidiabetika können bei falscher Dosierung oder unregelmäßiger Einnahme zu einer Hypoglykämie (Unterzuckerung) führen. Niedrige Blutzuckerwerte können Symptome wie Zittern, Verwirrtheit und Schwäche auslösen, die das Risiko eines Sturzes erhöhen.
Nebenwirkungen wie Schwindel und Übelkeit: Viele Medikamente haben als Nebenwirkung Schwindel oder Übelkeit, die zu Gleichgewichtsstörungen und Unsicherheiten beim Gehen führen können. Dazu zählen unter anderem Antidepressiva, Schmerzmittel und einige Herzmedikamente.
2. Polypharmazie als Risikofaktor
Ein wichtiger Faktor für das Sturzrisiko ist die Polypharmazie, also die gleichzeitige Einnahme mehrerer Medikamente. Gerade ältere Menschen, die häufig an mehreren chronischen Erkrankungen leiden, sind von Polypharmazie betroffen. Studien zeigen, dass das Risiko für Stürze deutlich ansteigt, wenn mehr als vier verschiedene Medikamente eingenommen werden. Polypharmazie erhöht das Risiko von Nebenwirkungen und Wechselwirkungen zwischen Medikamenten, die den Organismus überfordern können. Dies kann zu Symptomen wie Benommenheit, Schwindel oder Verwirrtheit führen.
Auch die Anpassung an Medikamente fällt bei älteren Menschen oft schwerer, da der Stoffwechsel langsamer ist und die Wirkstoffe länger im Körper verbleiben. Selbst niedrig dosierte Medikamente können daher eine stärkere Wirkung haben als erwartet.
3. Medikamente mit hohem Sturzrisiko: Eine Auswahl
Bestimmte Medikamentengruppen stehen besonders im Verdacht, das Sturzrisiko zu erhöhen. Zu diesen Medikamenten gehören:
Psychotrope Substanzen: Dazu zählen Antidepressiva, Beruhigungsmittel und Antipsychotika, die Schläfrigkeit und eine langsamere Reaktion auf Umweltreize verursachen können.
Blutdrucksenkende Mittel: ACE-Hemmer, Betablocker und Diuretika senken den Blutdruck und können zu orthostatischen Problemen führen.
Schmerzmittel (Opioide): Opioide werden häufig bei starken Schmerzen verschrieben, haben jedoch dämpfende Effekte auf das zentrale Nervensystem und können das Sturzrisiko erhöhen.
Antiepileptika: Diese Medikamente wirken sedierend und können ebenfalls die Muskelkoordination beeinträchtigen.
4. Präventionsstrategien: Maßnahmen zur Sturzvermeidung bei Medikamenteneinnahme
Um das Risiko von sturzbedingten Verletzungen zu minimieren, sind präventive Maßnahmen entscheidend:
Regelmäßige Überprüfung der Medikation: Besonders bei älteren Patienten sollte die Medikamentenliste regelmäßig mit dem Arzt besprochen werden. Es kann sinnvoll sein, Dosierungen anzupassen oder Medikamente, die nicht zwingend notwendig sind, abzusetzen.
Einnahmegewohnheiten beachten: Bestimmte Medikamente sollten am besten vor dem Schlafengehen eingenommen werden, um die sedierende Wirkung während der Nacht zu nutzen und das Risiko von Schwindel tagsüber zu reduzieren.
Langsame Positionswechsel: Gerade bei blutdrucksenkenden Medikamenten ist es hilfreich, langsam aufzustehen, um einen plötzlichen Blutdruckabfall zu vermeiden.
Ergotherapie und Gleichgewichtstraining: Das Training von Koordination und Muskelkraft kann helfen, die allgemeine Standfestigkeit und Beweglichkeit zu verbessern, sodass auch bei leichten Gleichgewichtsstörungen das Risiko eines Sturzes sinkt.
Hausapotheke optimieren: Überflüssige oder nicht mehr benötigte Medikamente sollten entsorgt werden, um Verwechslungen oder versehentliche Mehrfachgaben zu verhindern.
Tipp: Medikamente sorgfältig abwägen, Risiken minimieren
Die Einnahme von Medikamenten ist bei vielen gesundheitlichen Problemen unverzichtbar, jedoch sollten gerade bei älteren Menschen die Nebenwirkungen und Wechselwirkungen im Blick behalten werden. Das Sturzrisiko steigt vor allem durch sedierende, blutdrucksenkende und blutzuckersenkende Medikamente. Durch eine regelmäßige Überprüfung der Medikation und Anpassung der Dosierung können Patienten und Ärzte gemeinsam das Sturzrisiko minimieren.
Letzten Endes gilt: Weniger ist oft mehr. Eine gezielte, wohlüberlegte Einnahme von Medikamenten, die Rücksprache mit Fachärzten und regelmäßige Kontrollen können dazu beitragen, die Lebensqualität und die Sicherheit von Menschen, die auf Medikamente angewiesen sind, zu verbessern.