Die Nachfrage nach 24-Stunden-Pflegekräften steigt in Deutschland stetig an, insbesondere aufgrund des demografischen Wandels und einer alternden Gesellschaft. Viele Familien suchen händeringend nach Pflegepersonal, das sich um ihre Angehörigen kümmern kann – rund um die Uhr. Eine häufig genutzte Lösung ist dabei, Pflegekräfte über Gewerbeschein zu engagieren, da dies auf den ersten Blick eine flexible und kostengünstige Möglichkeit zu sein scheint. Doch genau hier lauert eine große Gefahr: die Scheinselbstständigkeit. Wer eine Pflegekraft auf diese Weise anstellt, kann unter Umständen sowohl rechtliche als auch finanzielle Risiken eingehen.
Was bedeutet Scheinselbstständigkeit?
Scheinselbstständigkeit liegt dann vor, wenn eine als selbstständig gemeldete Person in Wirklichkeit wie ein Arbeitnehmer behandelt wird. Das bedeutet, die Pflegekraft ist zwar formal selbstständig tätig, arbeitet jedoch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, das von Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit geprägt ist. Wesentliche Kriterien, die auf ein Arbeitsverhältnis hindeuten, sind zum Beispiel:
Feste Arbeitszeiten: Wenn die Pflegekraft regelmäßig zu bestimmten Zeiten arbeiten muss und keinen eigenen Gestaltungsspielraum hat.
Arbeitsmittel werden gestellt: Stellt die Familie der zu pflegenden Person Arbeitsmittel wie ein Auto oder Arbeitskleidung zur Verfügung, spricht dies für eine scheinselbstständige Tätigkeit.
Keine unternehmerische Entscheidungsfreiheit: Wenn die Pflegekraft nur für eine Familie arbeitet und keine eigene Preisgestaltung vornehmen kann, handelt es sich um eine klare Weisungsgebundenheit.
Das deutsche Sozialversicherungsrecht betrachtet solche Situationen als abhängig beschäftigt, wodurch eine Scheinselbstständigkeit vorliegt – mit erheblichen Folgen für alle Beteiligten.
Warum ist die 24-Stunden-Pflege mit Gewerbeschein riskant?
Pflegekräfte, die über einen Gewerbeschein tätig sind, werden häufig als vermeintlich selbstständig eingesetzt. Dabei sind sie oft an eine Familie gebunden, die von ihnen erwartet, nahezu ununterbrochen anwesend zu sein und sich vollständig nach den Bedürfnissen des Pflegebedürftigen zu richten. Dieser enge Arbeitsrahmen entspricht jedoch meist eher einer abhängigen Beschäftigung als einer freien Tätigkeit.
Für viele Familien erscheint dieses Modell attraktiv, da sie keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen müssen und die vermeintlich „selbstständige“ Pflegekraft günstiger ist als eine angestellte Pflegekraft oder die Beauftragung eines Pflege- oder Betreuungsdienstes. Doch genau hierin liegt das Problem: Der Sozialversicherungsträger könnte im Nachhinein eine Prüfung durchführen und feststellen, dass eine Scheinselbstständigkeit vorliegt. In einem solchen Fall wären nicht nur hohe Nachzahlungen an Sozialversicherungsbeiträgen fällig, sondern es könnte auch zu Strafen wegen Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung kommen.
Die rechtlichen Konsequenzen für Familien
Wer eine Pflegekraft illegal oder scheinselbstständig beschäftigt, riskiert erhebliche finanzielle Einbußen. Bei einer Prüfung durch die Deutsche Rentenversicherung oder das Finanzamt können die folgenden Konsequenzen drohen:
Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen: Arbeitgeber müssen rückwirkend für die gesamte Dauer der Beschäftigung Sozialversicherungsbeiträge für die Pflegekraft entrichten. Dies kann insbesondere bei langen Arbeitsverhältnissen zu einer hohen finanziellen Belastung führen.
Bußgelder und Strafen: Wird eine Scheinselbstständigkeit festgestellt, können empfindliche Bußgelder verhängt werden. In besonders schwerwiegenden Fällen, wie z.B. wenn eine bewusste Umgehung des Arbeitsrechts nachgewiesen wird, kann sogar eine Strafanzeige wegen Steuerhinterziehung oder Schwarzarbeit erfolgen.
Rückforderungen: Auch die Pflegekraft selbst könnte Ansprüche geltend machen, wie beispielsweise auf Urlaubsgeld, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder andere Arbeitnehmerrechte. Dies passiert häufiger, als man denkt.
Die Perspektive der Pflegekräfte
Für die Pflegekräfte selbst ist das Modell der vermeintlichen Selbstständigkeit ebenfalls nicht unproblematisch. Viele wissen nicht, dass sie in einer rechtlichen Grauzone arbeiten, und erkennen oft erst im Nachhinein, dass sie keine ausreichenden sozialen Absicherungen wie Krankenversicherung, Rentenversicherung oder Arbeitslosengeld haben. Hinzu kommt, dass sie, wenn sie als scheinselbstständig eingestuft werden, im Nachhinein sowohl auf Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung haften können – ein massiver finanzieller Schock.
So können Familien rechtliche Risiken minimieren
Um die Risiken der Scheinselbstständigkeit zu vermeiden, sollten Familien sorgfältig abwägen, wie sie eine Pflegekraft anstellen. Eine direkte Festanstellung oder die Zusammenarbeit mit einem zugelassenen Pflege- oder Betreuungsdienst ist in der Regel der sicherste Weg. Hierbei gelten klare arbeitsrechtliche Bestimmungen, und die Sozialversicherungsbeiträge werden ordnungsgemäß abgeführt. Zwar sind diese Lösungen oft teurer, aber dafür auch rechtlich einwandfrei.
Wer dennoch auf selbstständige Pflegekräfte mit Gewerbeschein setzen möchte, sollte folgende Punkte beachten:
Mehrere Auftraggeber: Selbstständige Pflegekräfte sollten nachweislich mehrere Auftraggeber haben, um nicht in den Verdacht der Scheinselbstständigkeit zu geraten.
Freie Arbeitszeiteinteilung: Die Pflegekraft sollte ihre Arbeitszeit eigenständig festlegen können und nicht in den Tagesablauf der Familie eingebunden sein.
Eigene Materialien: Selbstständige Pflegekräfte sollten eigene Arbeitsmittel und Materialien mitbringen, um ihre Eigenständigkeit zu unterstreichen.
Vertragsgestaltung: Ein sorgfältig aufgesetzter Vertrag, der die Freiheiten der Pflegekraft betont, kann helfen, das Risiko einer späteren Einstufung als scheinselbstständig zu minimieren.
Die Beschäftigung von 24-Stunden-Pflegekräften mit Gewerbeschein kann Familien in eine rechtliche Grauzone führen. Die Gefahr der Scheinselbstständigkeit ist in dieser Branche sehr hoch und kann sowohl für die Pflegekraft als auch für die Familie zu erheblichen finanziellen und rechtlichen Konsequenzen führen. Es ist ratsam, sich im Vorfeld gut zu informieren und gegebenenfalls rechtlichen Rat einzuholen, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden. Eine transparente und rechtlich einwandfreie Lösung mag auf den ersten Blick teurer erscheinen, erspart aber langfristig große Probleme und Unsicherheiten.