Es ist ein Moment, den viele Menschen fürchten und doch früher oder später erleben: Die eigenen Eltern werden pflegebedürftig. Plötzlich steht die Welt still – und eine neue Realität beginnt. Zwischen Sorgen, Entscheidungen und Verantwortung fragen sich Angehörige: Wie schaffen wir das?
Pflege ist mehr als nur Organisation – sie ist eine zutiefst menschliche Aufgabe. Und sie betrifft nicht nur die, die gepflegt werden, sondern auch jene, die begleiten.
Zwischen Liebe, Pflichtgefühl und Überforderung
Wenn Mutter oder Vater plötzlich Hilfe brauchen, geraten viele Kinder in einen emotionalen Zwiespalt. Einerseits ist da die Liebe, die Dankbarkeit, der Wunsch, „etwas zurückzugeben“. Andererseits steht die Angst: vor der Überforderung, vor dem Verlust der gewohnten Beziehung, vor den kommenden Jahren.
Viele Angehörige erleben, wie sich die Rollen umkehren – aus dem Kind wird die Stütze, der Entscheider, manchmal sogar der Pfleger. Diese Veränderung fordert nicht nur körperlich, sondern auch seelisch.
Die Frage nach dem Wie
Eines der ersten Themen, das auftaucht, ist die Organisation der Pflege:
Kann und soll die Betreuung zu Hause stattfinden? Welche Hilfe steht zur Verfügung?
Ambulante Pflegedienste, Tagespflege, stationäre Einrichtungen oder 24-Stunden-Betreuung – jede Option hat ihre Chancen und Grenzen.
Wichtig ist: Angehörige müssen diesen Weg nicht allein gehen. Pflegeberatungsstellen, Pflegestützpunkte und Sozialdienste bieten kostenlose Orientierung und Unterstützung bei Anträgen, Pflegegraden oder Hilfsmitteln.
Finanzielle Realität und rechtliche Sicherheit
Pflege kostet – Geld, Zeit und Kraft. Viele Angehörige sind überrascht, welche Leistungen die Pflegeversicherung tatsächlich übernimmt: Pflegegeld, Pflegesachleistungen, Verhinderungspflege, Zuschüsse für barrierefreies Wohnen. Doch oft reicht das nicht. Dann kommen Fragen zu Elternunterhalt, Sozialhilfe oder Vorsorgevollmachten auf.
Rechtliche Klarheit gibt Sicherheit – eine Patientenverfügung, eine Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung sollten frühzeitig besprochen werden, bevor Notfälle eintreten.
Zwischen Beruf, Familie und Verantwortung
Pflege verändert den Alltag. Viele Angehörige stehen im Berufsleben, haben eigene Kinder, Verpflichtungen – und nun eine zusätzliche Aufgabe, die keine Pause kennt.
Zum Glück gibt es rechtliche Möglichkeiten: Pflegezeit, Familienpflegezeit, Pflegeunterstützungsgeld. Doch oft bleibt das Gefühl: Es ist nie genug Zeit.
Hier helfen Entlastungsangebote – Kurzzeitpflege, Nachbarschaftshilfen oder ehrenamtliche Besuchsdienste. Niemand muss alles allein schaffen.
Würde, Nähe und Lebensfreude erhalten
Pflege bedeutet nicht nur, Grundbedürfnisse zu sichern. Sie bedeutet auch, Lebensqualität zu bewahren. Ein Spaziergang, gemeinsames Lachen, Musik aus früheren Zeiten – oft sind es die kleinen Dinge, die große Wirkung zeigen.
Angehörige wünschen sich vor allem, dass ihre Eltern würdevoll alt werden, gut versorgt sind und sich geliebt fühlen. Pflege darf nicht nur als Belastung gesehen werden, sondern auch als Chance für Nähe und gegenseitiges Verständnis.
Pflege braucht Mitgefühl – und Unterstützung
Wenn Eltern pflegebedürftig werden, geraten Angehörige in eine neue Lebensphase voller Emotionen, Fragen und Herausforderungen. Sie suchen Sicherheit, Orientierung, Entlastung – und vor allem das Gefühl, das Richtige zu tun.
Die gute Nachricht: Niemand ist allein. Es gibt Strukturen, Hilfen und Menschen, die begleiten.
Checkliste: Was tun, wenn Eltern pflegebedürftig werden
1. Gesundheitszustand klären
Arzttermin vereinbaren (Hausarzt oder Facharzt)
Gesundheitszustand einschätzen lassen
Diagnosen und Medikamentenplan zusammenstellen
ggf. ärztliche Bescheinigung für Pflegeantrag einholen
Wichtig: Alle medizinischen Unterlagen sammeln (Befunde, Krankenhausberichte, Reha-Berichte).
2. Pflegebedarf einschätzen
Prüfen, welche Tätigkeiten im Alltag schwerfallen:
Körperpflege, Anziehen, Essen
Haushaltsführung
Orientierung / Gedächtnis (bei Demenzverdacht)
➡️ Notizen machen – sie helfen später bei der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst (MD).
Tipp: Ein Pflegetagebuch führen (Vorlage gibt es bei der Pflegekasse oder Pflegestützpunkten).
3. Pflegegrad beantragen
Antrag bei der Pflegekasse der Eltern stellen
telefonisch, schriftlich oder online
Leistungen gelten rückwirkend ab Antragseingang
Termin mit dem Medizinischen Dienst (MD) vorbereiten
Pflegetagebuch und Unterlagen bereithalten
Angehörige sollten beim Begutachtungstermin anwesend sein
4. Pflegeberatung in Anspruch nehmen
Kontakt zu einem Pflegestützpunkt aufnehmen
Beratung zu Leistungen, Pflegeformen und Entlastung
Unterstützung bei Formularen und Antragstellung
Alternativ:
Pflegeberater*in der Pflegekasse
Caritas, Diakonie, AWO, DRK oder private Pflegedienste
5. Pflege organisieren
Entscheidung treffen:
Ambulante Pflege zu Hause (mit oder ohne Pflegedienst)
Tagespflege / Kurzzeitpflege
Stationäre Pflege / Pflegeheim
Betreutes Wohnen / 24h-Betreuung
Angebote einholen & vergleichen
6. Finanzielle Situation prüfen
Überblick schaffen über:
Einkommen, Rente, Pflegegeld
Miete, Nebenkosten, Schulden
Zusatzversicherungen
Beratung einholen zu:
Pflegegeld / Pflegesachleistungen
Verhinderungs- und Kurzzeitpflege
Zuschüsse für barrierefreies Wohnen (§ 40 Abs. 4 SGB XI)
ggf. Sozialhilfe (Hilfe zur Pflege) beim Sozialamt beantragen
7. Rechtliche Vorsorge regeln
Folgende Dokumente prüfen oder erstellen:
Vorsorgevollmacht
Patientenverfügung
Betreuungsverfügung
Unterstützung durch:
Betreuungsvereine (z. B. Caritas, Diakonie, SKM, SkF)
Rechtsanwalt oder Notar
Betreuungsbehörde der Stadt / des Landkreises
8. Pflege und Beruf vereinbaren
Arbeitgeber informieren (wenn sie selbst pflegen)
Mögliche Freistellungen:
Pflegezeitgesetz (PflegeZG) – bis zu 6 Monate
Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) – bis zu 24 Monate (Teilzeit)
Pflegeunterstützungsgeld (bei akutem Pflegefall bis 10 Tage Lohnersatz)
9. Eigene Entlastung sichern
Regelmäßig Entlastungsangebote nutzen:
Verhinderungspflege (Ersatzpflege bei eigener Auszeit)
Tagespflege oder Kurzzeitpflege
Hauswirtschaftliche Hilfe, Essen auf Rädern, Besuchsdienste
Selbsthilfegruppen oder Online-Communities für pflegende Angehörige
📞 Pflegehotline des Bundesministeriums für Gesundheit:
030 / 340 60 66 – 02