Manchmal geraten Menschen in Lebenssituationen, in denen sie aus gesundheitlichen, psychischen oder altersbedingten Gründen nicht mehr in der Lage sind, ihren Alltag selbstständig zu bewältigen. Finanzielle Verpflichtungen, medizinische Entscheidungen oder alltägliche organisatorische Aufgaben können zu einer überwältigenden Herausforderung werden. Wenn „gar nichts mehr geht“, bietet das deutsche Betreuungsrecht eine Lösung: die rechtliche Betreuung.
1. Was ist eine rechtliche Betreuung?
Die rechtliche Betreuung ist ein Instrument, das Menschen hilft, die ihre Angelegenheiten nicht mehr eigenständig regeln können. Sie wird von einem Betreuungsgericht eingerichtet und beinhaltet die Bestellung eines rechtlichen Betreuers, der den Betroffenen in den Bereichen unterstützt, in denen es notwendig ist. Diese Betreuung wird individuell angepasst und greift nur dort, wo tatsächlich Hilfe benötigt wird. Ziel ist es, den Betroffenen so viel Eigenständigkeit wie möglich zu lassen, ihnen aber gleichzeitig den Rückhalt zu geben, den sie benötigen.
2. Gründe für die Einrichtung einer Betreuung
Eine rechtliche Betreuung kommt dann infrage, wenn eine Person dauerhaft oder vorübergehend nicht mehr in der Lage ist, sich selbst zu versorgen oder rechtliche Entscheidungen zu treffen. Die häufigsten Ursachen sind:
Demenz oder andere altersbedingte Erkrankungen: Bei älteren Menschen treten oft kognitive Einschränkungen auf, die die Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigen.
Psychische Erkrankungen: Schwere Depressionen, bipolare Störungen, Schizophrenie oder andere psychische Erkrankungen können dazu führen, dass eine Person nicht mehr eigenverantwortlich handeln kann.
Geistige Behinderungen: Menschen mit geistiger Behinderung benötigen oft Unterstützung in rechtlichen Angelegenheiten und im Umgang mit Behörden.
Suchtprobleme: Menschen mit schwerer Suchterkrankung verlieren oft die Kontrolle über ihr Leben und sind dadurch in vielen Bereichen hilfebedürftig.
3. Der Weg zur Betreuung: Das Betreuungsverfahren
Der Prozess der Einrichtung einer rechtlichen Betreuung erfolgt in mehreren Schritten:
Antragstellung oder Anregung: Jeder, der eine hilfebedürftige Person kennt – ob Angehöriger, Arzt oder Sozialarbeiter –, kann die Einrichtung einer Betreuung beim Betreuungsgericht anregen. Auch der Betroffene selbst kann eine Betreuung beantragen.
Gutachten und Anhörung: Das Gericht lässt die betroffene Person durch einen Sachverständigen untersuchen und entscheidet, ob und in welchem Umfang eine Betreuung notwendig ist. Die betroffene Person wird in jedem Fall angehört, sofern sie dazu in der Lage ist.
Bestellung des Betreuers: Das Gericht entscheidet, wer als Betreuer geeignet ist. In der Regel werden nahe Angehörige bevorzugt, sofern sie bereit und in der Lage sind, die Betreuung zu übernehmen. Falls kein Familienmitglied infrage kommt, kann ein externer Betreuer (zum Beispiel ein Berufsbetreuer) bestellt werden.
4. Rechte und Pflichten des Betreuers
Der Betreuer übernimmt Verantwortung in den Bereichen, die das Gericht festgelegt hat. Häufige Aufgaben sind:
Vermögensverwaltung: Hierzu zählen die Verwaltung des Bankkontos, das Begleichen von Rechnungen und das Verhandeln von Verträgen.
Gesundheitsfürsorge: Der Betreuer unterstützt bei medizinischen Entscheidungen, kann Arzttermine organisieren und, falls notwendig, über Behandlungen entscheiden.
Wohnungsangelegenheiten: Entscheidungen über Mietverträge, Umzüge oder die Einrichtung einer betreuten Wohnform fallen oft auch in den Aufgabenbereich des Betreuers.
Der Betreuer ist verpflichtet, regelmäßig einen Bericht an das Betreuungsgericht zu senden und nachzuweisen, dass er im Interesse der betreuten Person handelt. Damit soll sichergestellt werden, dass keine Fehlentscheidungen oder gar Missbrauch stattfinden.
5. Rechte der Betreuten: Mitbestimmung und Eigenständigkeit
Auch wenn ein Betreuer bestellt wurde, bleibt die betroffene Person eigenständig. Der Betreuer ist verpflichtet, die Wünsche und Interessen der betreuten Person zu respektieren. Das deutsche Betreuungsrecht hat den Grundsatz der „Wunschbeachtung“ verankert: Solange es die Gesundheit und das Wohl des Betroffenen zulassen, sollen seine Wünsche und Vorstellungen umgesetzt werden.
Betreute Menschen haben das Recht, Entscheidungen mitzugestalten, sofern es ihnen möglich ist. Auch der Betreuungsumfang kann regelmäßig angepasst oder aufgehoben werden, falls sich der Gesundheitszustand verbessert.
6. Vorsorgevollmacht als Alternative zur Betreuung
Eine rechtliche Betreuung lässt sich durch eine Vorsorgevollmacht vermeiden. Mit einer Vorsorgevollmacht können Menschen in gesunden Zeiten eine Person ihres Vertrauens bestimmen, die im Ernstfall für sie entscheiden darf. Dies bietet den Vorteil, dass ein gerichtliches Betreuungsverfahren vermieden und der Willen des Betroffenen unmittelbar respektiert wird.
7. Rechtliche Betreuung als Chance für ein selbstbestimmtes Leben
Rechtliche Betreuung hat nicht das Ziel, jemanden zu entmündigen, sondern möchte Menschen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Sie stellt sicher, dass Hilfe und Unterstützung dort ankommen, wo sie gebraucht wird, ohne dass die betreute Person ihre Rechte und ihre persönliche Würde verliert.
Für viele Menschen ist die rechtliche Betreuung ein wertvolles Instrument, das ihnen eine notwendige Entlastung verschafft und ihnen ermöglicht, weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Ob durch Vorsorgevollmachten oder durch eine rechtliche Betreuung: Mit der richtigen Unterstützung können selbst schwierige Lebenssituationen überstanden und ein hohes Maß an Lebensqualität bewahrt werden.